Das Wiener Kaffeehaus - Der Wiener Kaffee chronologisch

1100 - 1683

Obwohl das Wiener Kaffeehaus einen weltberühmten Status inne hat, war Wien nicht die erste Stadt mit einem Kaffeehaus. Schon im 12. Jahrhundert gab es in Mekka etliche Kaffeehäuser. 1647 eröffnete in Venedig das erste europäische Kaffeehaus. Erste englische Kaffeehäuser wurden 1650 und 1652 gegründet. Im Jahre 1683 zog Wien nach. Auch wenn Wien nicht Vorreiter der Kaffeehauskultur war, so hat das Kaffeehaus doch hier wie an keinem anderen Ort seine Spuren hinterlassen. Nirgends erlebten Kaffee und Kaffeehaus einen solch hohen Grad an Verfeinerung wie in Wien.

 

1683

Wie alles begann. Die Geschichte rund um den Ursprung des Wiener Kaffeehauses ist eng mit dem Ende der Türkenbelagerung verbunden. Wie immer bei großen historischen Ereignissen sind Legende und Wahrheit oft schwer auseinander zu halten. Gerne wird folgende Version übermittelt:

Als Türke verkleidet durchbrach Georg Franz Kolschitzky die feindlichen Linien der Türken um Karl von Lothringen eine wichtige Botschaft zu überbringen. Für diese Heldentat wurde er reichlich belohnt. Mit einem Baugrund, einer Gewerbeberechtigung und mit Kriegsbeute der Türken. Darunter befanden sich unter anderem auch Säcke mit den mysteriösen dunklen Bohnen. Kolschitzky witterte ein Geschäft und so entstand das erste Wiener Kaffeehaus in der Nähe des Wiener Stephansdoms. Zumindest lautet so die Legende, die sich jahrhundertelang gehalten hat. In Wirklichkeit wurde das erste Wiener Kaffeehaus vom armenischen Spion Deodato gegründet. Deodato, ein geheimnisvoller Mann im Dienste des Wiener Hofes, war aufgrund seiner Herkunft mit der Zubereitung der dunklen Bohnen wohlvertraut. Aber auch eine andere Legende um Kolschitzky hält genauerer Betrachtung nicht stand: Dass er nämlich als erster den Kaffee mit Milch und Zucker vermengte. Wer auch immer der Erfinder dieser Idee war: erst diese Innovation machte den Kaffee bei den Wiener so richtig beliebt und verschaffte dem Kaffeehaus den großen Durchbruch in Wien.

 

1700 - 1720
Die ersten Kaffeehäuser wiesen schon viele Merkmale auf, die heute ein typisches Wiener Kaffeehaus ausmachen. Es gab das berühmte Glas Wasser, man konnte sich am Billardtisch vergnügen oder Kartenspielen.
Doch da hieß es: Aufgepasst! Denn bis zum Ende des 18. Jahrhunderts war Kartenspielen offiziell verboten. Ein Kaffeehausbesitzer, der erwischt wurde, in seinem Kaffee das verpönte Kartenspiel zuzulassen, musste mit der saftigen Strafe von 1000 Kreuzern rechnen. Mit solch einer Summe konnte man sich damals schon ein Kaffeehaus komplett ausstatten.

 

1720
Das Kramersche Kaffeehaus am Graben war das erste, das Zeitungen zum Lesen auflegen ließ. Es lieferte somit den Blue Print dessen, was wir heute als das typische „Wiener Kaffeehaus“ bezeichnen. Obwohl das Kramersche Kaffeehaus ein enges düsteres Lokal war, lockte es mit den Zeitungen eine Vielzahl an illustren Gästen an. Eine Besucherschaft an Literaten, Künstlern und Professoren ergötzten sich an den Nachrichten aus aller Welt. Andere wiederum bevorzugten das Kramersche Kaffeehaus wegen der einzigartig ruhigen Atmosphäre. Wo in anderen Cafés lautstarkes Debattieren an der Tagesordnung war,
herrschte im Kramerschen Kaffeehaus konzentrierte Stille und Zeitungsrascheln. Nur bei den Regierenden waren die Zeitungscafés gar nicht wohlgelitten. Nicht nur, dass hauptsächlich regierungs- und monarchiekritische Artikel in den Zeitungen gedruckt waren, wurden in jenen Kaffeehäusern auch Spottpamphlete verteilt.

 

1788
Der Grundstein für eine neue Ära des Wiener Kaffeehauses wurde gelegt: Martin Diegand eröffnete das erste Wiener Konzertcafe. Die Wiener waren begeistert und stürmten die Konzerte. Nur wenige sarkastische Stimmen meinten, der große Erfolg der Konzertcafés läge wohl darin, dass jetzt endlich die endlosen Debatten und das Politisieren übertönt würden. Mitte des 19. Jahrhunderts kam es zum großen
Durchbruch. Obwohl es teilweise schon um 6 Uhr morgens losging, war kein Platz mehr zu kriegen. Auch Mozart besuchte gerne Konzertcafés, um die Wirkung seiner Musik aus erster Hand begutachten zu können. Beethoven ließ es sich auch nicht nehmen und musizierte gerne in Kaffeehäusern. Im 19. Jahrhundert war es das Streichquartett rund um Josef Strauß senior und Johann Lanner, das für berstend volle Kaffeehäuser sorgte. Ihr Ruf verschaffte ihnen Auftritte in ganz Europa, wo sie wie Popstars bejubelt wurden.

 

1803 - 1813
Um das ihm verhasste England zu schädigen, veranlasste Napoleon eine Kontinentalsperre für den Handel mit England. Dumm nur, dass dadurch auch der Zugriff auf die köstlichen Kaffeebohnen fast abgeschnitten wurde. Der Zoll auf Kaffeebohnen wurde so hoch, dass ihn sich kein Kaffeesieder zu leisten vermochte. Als Österreich 1808 der Handelssperre beitrat, war es endgültig aus mit dem Kaffee - eine dunkle Zeit für die Wiener Kaffeehäuser. Kaffeehausbesitzer begannen mit diversen anderen Zutaten den Geschmack von Kaffee zu simulieren. Als Ersatz dienten etwa Zwetschkenkerne, Feigen, Roggen, Gerste und Zichorie. Diesen Ersatzmitteln war jedoch nur mäßiger Erfolg beschieden. Die Kaffeehäuser standen kurz vor dem Ruin. Um die Verluste wettzumachen, wurde es in dieser Zeit den Wiener Kaffeehäusern gestattet, neben Kaffee auch Wein und warme Speisen anzubieten. Die Unterschiede zwischen Gasthaus und Café wurden weniger, das Wiener Kaffee-Restaurant war geboren. 1813 ging ein großes Aufatmen durch die Welt der Kaffeehausgenießer, als das belebende Getränk wieder ausgeschenkt werden konnte.
 

1815
Das Wiener Kaffeehaus erfuhr eine neue Blütezeit. In der Ära des Vormärz und des Biedermeier wurde das Wiener Kaffeehaus in ganz Europa zum „Inbegriff der Lebensqualität“. In Prag, Zagreb, Verona, Triest und Venedig sprossen Kaffeehäuser nach Wiener Vorbild aus dem Boden. Große Säle, rot-samtige Sitzbezüge, Leuchter an den Wänden und prunkvolle Kristallluster waren die Ingredienzien, die für ein Kaffeehaus von Welt unverzichtbar geworden waren.
 

1856
Endlich wurde Frauen der Zugang zum Kaffeehaus gestattet. Das „Cafe Français“ ließ die Türen seines Kaffeehauses auch für Damen offen stehen. Hier waren die einst sehr strengen Regeln, was den Besuch von Frauen in den Kaffeehäusern betraf, aufgehoben. War man doch davor tatsächlich der Meinung, man müsse Frauen vor dem verruchten Ambiente samt Spielerei, Alkohol und Zigarettenrauch bewahren. Zuvor durfte die Damenwelt nur in Person der Sitzkassiererin vorhanden sein. Nur die Sommerveranstaltungen einiger Kaffeehäuser wurden von Frauen in Begleitung ihrer Männer besucht.

 

1873
Anlässlich der großen Weltausstellung reisten abertausende staunende Besucher aus aller Welt nach Wien. Natürlich verbrachten sie auch viel Zeit im Wiener Kaffeehaus und lernten so dessen raffinierte gemütliche Eleganz kennen. Der Ruf des Wiener Kaffeehauses ging durch die ganze Welt.

 

1890
Das Cafe Griensteidl wurde zum Treffpunkt einer Gruppe von Literaten („Jung Wien“). Rund um Hermann Bahr versammelte sich eine illustre Schar an jungen Schriftstellern wie etwa Hugo von Hoffmannsthal, Karl Kraus oder Arthur Schnitzler. Dies war die Geburtsstunde der Kaffeehausliteratur. Doch die Literaten beschränkten sich nicht auf ein bestimmtes Kaffeehaus. Immer wieder wurde ein anderes Kaffeehaus zum In-Treff auserkoren. Auf das Griensteidl folgte das Cafe Central, später wurde das Cafe Herrenhof zum Treffpunkt der Literaten. Aber auch andere Künstler hatten ihre favorisierten Kaffeehäuser. Das Cafe Museum etwa wurde zum Treffpunkt der Maler.
 

1891
Die 38 Vororte von Wien wurden Wien eingemeindet. Die Ringstraßenära begann und mit ihr ein Zeitalter der pompösen Eleganz. Rund 30 Kaffeehäuser entstanden auf der Ringstraße. Mit ihren Schanigärten und ihrem bombastischen Interieur luden sie die vorbeiflanierenden adeligen Damen und Herren zum Verweilen ein. Die Ringstraße und ihre Kaffees wurden weltweit als „Mirakel der Eleganz“ gefeiert. Die Wiener und Wienerinnen, die zumeist in kleinen Wohnungen auf engem Raum lebten, nutzten die elegant ausgestatten Kaffeehäuser als eine Art „erweitertes Wohnzimmer“. Hier konnte man Leute empfangen und Freunde treffen.

 

1920
Weltwirtschaftskrise und Börsenkrach: Das Kaffeehaus wurde zum Umschlagplatz, wo unter den Tischen begehrte Waren ihren Besitzer tauschen. Doch auch in den tristen 20er Jahren waren die Menschen auf gute Unterhaltung versessen. Tanzcafés sperrten auf und spielten den aus Amerika importierten Jazz. Eine Renaissance der Konzertcafés fand in Form der legendären 5-Uhr- Konzertcafés statt.

 

1938
Die Nationalsozialisten unter Hitler enteigneten die jüdischen Eigentümer der für ihre Lebendigkeit bekannten Kaffeehäuser in der Leopoldstadt, auch die "Mazzesinsel" genannt. Die Mazzesinsel hat eine traurige Vorgeschichte. 1670 ließ Kaiser Leopold auf Veranlassung seiner Frau Margarita Teresa sämtliche Juden aus Wien vertreiben. Doch nach dem Tod seiner Frau und dem Niedergang der Staatskassen holte Kaiser Leopold die Juden wieder zurück. Er siedelte sie in der Leopoldstadt wieder an. Bald bekam die Leopoldstadt den Spitznamen Mazzesinsel. Bis 1900 wohnten hier 1/3 der in Wien lebenden Juden. Die jüdischen Kaffeehäuser in der Leopoldstadt waren voller Leben - ein quirliger Gegenpol zu den pompös ausgestatteten Kaffeehäusern des 1. Bezirks. Aufgrund der inhumanen Enteignungen und brutalen Deportationen der jüdischen Kaffeehausbesitzer im dritten Reich ist heute vom einst dynamischen Kaffeehausleben in der Leopoldstadt kaum mehr etwas zu spüren.


1950
Eine Vielzahl an kleinen italienischen Espressi wurde in Wien gegründet. Im Gegensatz zum Filterkaffee wurden diese Kaffees gepresst. Konzentrierter genoss man ihn aus kleinen Tassen. Die Espressi waren meist klein und boten Stehplätze an. Sie wurden bald zur Modewelle und stellten eine ernsthafte Bedrohung für das Wiener Kaffeehaus dar. Viele altbekannte Kaffeehäuser mussten schließen.


1970 - 1983
Gesellschaftliche Veränderungen brachten in den 70er Jahren eine der schwersten Krisen für das Wiener Kaffeehaus. Durch Auto, Zweitwohnsitz und Fernsehen war das Kaffeehaus für viele etwas in den Hintergrund gerückt. Das Kaffeehaus galt als veraltet - die Heurigen nahmen an Bedeutung zu. Die Änderung der Gewerbeordnung von 1978 brachte außerdem viele strenge und kostenintensive Auflagen und den Wegfall des Lokalbedarfs mit sich. Viele traditionsreiche Kaffeehäuser mussten in dieser Zeit zusperren. 1983 feierten die Wiener Kaffeehäuser ihr 300- jähriges Bestehen. Viele Wiener begannen sich wieder der Qualitäten ihrer Kaffeehäuser zu besinnen. Die Wiener Kaffeehäuser waren wieder voll, die lange Krise fand ein Ende.

 

Heute
Das Wiener Kaffeehaus boomt wie noch nie. Anstelle der Möglichkeit, billig zu telefonieren, gibt es jetzt die Möglichkeit, im Internet zu surfen. Neben Walzerklängen von Johann Strauss erklingt jetzt auch moderner DJ-Sound. Wiener Elektronikkünstler haben mit ihren melancholisch- groovenden Sounds den weltweit bekannten Begriff „Coffetable-music“ geprägt. Starbucks & Co bieten mit großen Sofas und Selbstbedienung ein Kaffeehaus nach amerikanischem Vorbild. Mehr denn je sehnen sich die Leute nach einer kleinen Verschnaufpause mit einer gemütlichen Tasse Kaffee. Die einzigartige Atmosphäre des Wiener Kaffeehauses stellt auch im neuen Jahrtausend ein Grundbedürfnis für Menschen aller Altersgruppen dar.

 

Wir danken für die freundliche Zurverfügungstellung dieses Textes.

Weiterführende Informationen erhalten Sie unter:

http://www.wiener-kaffeehaus.at